PLANETARIUM BOCHUM | DIE WEITEN DES UNIVERSUMS UND NOCH VIEL MEHR
Foto: Planetarium Bochum
Fotos: Planetarium Bochum

Text: Maik Schöneborn

Fotos: Planetarium Bochum

PLANETARIUM BOCHUM | DIE WEITEN DES UNIVERSUMS UND NOCH VIEL MEHR

In diesem Jahr feiert das Planetarium seinen 60. Geburtstag. Es war also mehr als überfällig, sich mit Frau Prof. Dr. Hüttemeister, der Leiterin des Planetariums, für ein ausführliches Interview zusammenzusetzen.

Frau Prof. Dr. Hüttemeister, einige Jahre ist es her, dass wir eine große Story über das Planetarium gebracht haben. Es wird also wieder dringend Zeit. Sie sind seit vielen Jahren für die Leitung verantwortlich und in Zusammenarbeit mit Ihrem geschätzten Kollegen Helmut Schüttemeier und vielen begabten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind im Laufe der Jahre tolle Projekte entstanden, die das Publikum begeistert haben. Die Umsetzung der Hörspiele der Reihe „Die Drei ???“ ist sicherlich eines der absoluten Highlights. Können wir da bald schon wieder etwas Neues erwarten?
„Die Drei ???“ sind tatsächlich auch im Planetarium Kult. Dabei bleiben sie auch auf der Kuppel Hörspiele, die durch ein dreidimensional wirkendes Tonsystem aus über 60 Lautsprechern ihre besondere Wirkung entfalten. Visuell erscheinen auf der Kuppel für jede Folge in einem anderen Stil gestaltete animierte Illustrationen, die beim Publikum das „Kopfkino“ anregen sollen. Mindestens einmal pro Woche gibt es die „Drei ???“ bei uns. Im Moment laufen die beiden Folgen „Die singende Schlange“ und „Das Dorf der Teufel“. Die Veranstaltungen sind so gefragt, dass wir gerade neue Termine bis Mitte September zur Buchung freigegeben haben. Aber Ihre Vermutung ist richtig: Es wird auch neue Folgen geben, das steht bereits fest. Welches aber die Titel sind, und wann die nächste Folge startet … Tja, das ist im Moment noch geheim. Aber keine Sorge, wir werden es einige Monate im Voraus ankündigen.

Musik im Planetarium gibt es schon fast so lange wie das Planetarium selbst, und das sind 100 Jahre. Denn vor genau 100 Jahren wurde der allererste Sternenprojektor erfunden. Aber produzierte Musikshows mit zum Teil aufwändigen Visualisierungen wie „Queen“ oder „The Dark Side of the Moon“ setzen natürlich ein digitales Projektionssystem voraus – und sind damit erst seit gut 15 Jahren möglich. Solche Musikshows produziert ein Bochumer Kollege auch mit großem Erfolg selbst: Er kombiniert tolle Songs aus Rock und Pop mit Bildern aus dem Weltall und dem Sternenhimmel. Noch einmal etwas anderes sind die Shows aus der Reihe „popSPACE“, „classicSPACE“ oder manchmal auch „jazzSpace“. Diese monatlichen Veranstaltungen sind Unikate, bei denen mein Kollege Helmut Schüttemeier, der die Idee vor inzwischen vielen Jahren selbst entwickelt hat, Musik auswählt und dazu mit den Besuchern live gesteuert durchs Universum fliegt.

Können Sie ungefähr abschätzen, wie viel Zeit die Umsetzung einer solchen Show in Anspruch nimmt?
Das hängt sehr von der Show ab. Bei den Veranstaltungen aus der „SPACE“-Reihe besteht die größte Planungsarbeit in der sorgfältigen Auswahl der Musik. Und natürlich muss man unser System, insbesondere den Sternenprojektor und das große Simulationsprogramm für den gesamten Kosmos, sehr gut kennen, um „live“ fliegen zu können. Bei den vorproduzierten Shows beträgt die Produktionszeit aber sehr oft ein Jahr oder mehr. Und bei so mancher astronomischen Show, die wir zum Beispiel in einer großen Kooperation mit fast zwanzig anderen Planetarien im deutschsprachigen Raum entwickeln, können es sogar mehrere Jahre werden.

Sie bedienen Kinder und Erwachsene gleichermaßen und bieten dazu noch Shows für die ganze Familie an. Ist es ein Drahtseilakt, immer etwas zu entwickeln, das alle begeistert, oder gibt es auch Projekte, wo Sie nicht auf die Masse und gute Zuschauerzahlen zielen, weil diese einfach künstlerisch für Ihr Haus wertvoll sind?
Eine Art von Drahtseilakt ist es sicherlich. Aber unsere Erfahrung ist, dass eine gute Mischung das Erfolgsgeheimnis ist. Der fantastische Besucherrekord von mehr als 342.000 Menschen, die 2023 bei uns waren, gibt diesem Konzept recht. Das Rückgrat des Programms sind dabei natürlich Astronomieshows, die primär für Erwachsene geschrieben, aber für Kinder etwa ab 10 Jahren – das kommt immer sehr auf das individuelle Kind an! – auch schon geeignet sind, sowie Kindershows und die schon erwähnten abendlichen Musikshows. Dabei setzen wir eigentlich nicht primär auf „Masse“, sondern wollen in den Astronomie- und Kindershows immer auch faszinierende Wissenschaft erklären, so dass die Besucher, egal ob groß oder klein, ein bisschen schlauer aus der Kuppel herausgehen als sie hereingekommen sind. Dabei kommt uns unser zentrales Thema sehr entgegen, denn wer ist nicht vom Weltall und vom Sternenhimmel fasziniert? Aber es gibt selbstverständlich und sehr bewusst auch Formate, die künstlerisch außerordentlich interessant und nicht unbedingt Mainstream sind. Das sind oft Veranstaltungen aus dem Bereich der „Immersiven Livekultur“, von Tanzprojekten, die die Kuppel einbeziehen, bis hin zu besonderen Konzerten. Alle zwei Jahre findet mit „DIVE“ sogar ein Festival Immersiver Künste statt. Mit „immersiv“ ist hier gemeint, dass man in eine virtuelle Welt eintauchen kann, etwas, das uns die Kuppel ermöglicht, die das Publikum auf allen Seiten umgibt. Mit diesen Veranstaltungen haben wir uns inzwischen deutschlandweit einen Namen als Spielort für hochklassige Kultur gemacht, der auch das Experiment nicht scheut und neue Wege geht.

Beliebt sind natürlich auch die Live-Konzerte von zahlreichen DJs und Produzenten, aber auch wie bereits oben angesprochen künstlerisch anspruchsvolle Projekte wie die von Dr. Heinrich Brinkmöller-Becker, der in der außergewöhnlichen Reihe „artSPACE“ Projektionen mit Live-Musik präsentiert bzw. verbindet. Z. B. fotografierte er das 40. internationale Schornsteinfeger-Treffen im italienischen Val Vigezzo und die Bilder wurden mit Musik des bekannten Essener Jazz-Pianisten Marc Brenken unterlegt. Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, aber so etwas findet durchaus sein Publikum, richtig?
Auf jeden Fall! Die „Spazzacamini“ werden uns noch lange in bester Erinnerung bleiben – das war ein wirklich besonderer Abend. Über 60 Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger waren in ihrer traditionellen schwarzen Kluft bei uns. Dazu kamen noch reichlich andere Besucher, so dass wir „volles Haus“ hatten. Die „artSPACE“- Projekte sind immer originell und sehr unterschiedlich, auch wenn sie häufig etwas mit Italien zu tun haben. Als nächstes können wir uns aber am 23. Mai auf einen Blick auf das große Comeback der sehr erfolgreichen Street- Artists-Show Urbanatix freuen, die Heinrich Brinkmöller- Becker großformatig fotografiert hat und auf der Kuppel präsentiert.

Sie haben ja auch einen Bildungsauftrag, und diesen nehmen Sie ernst. Wie groß ist z. B. die Nachfrage bei Kindern und Teenagern für den Astronomie-Kurs des Dortmunder Astronomen Dr. Tom Fliege?
Über Astronomie und das Weltall sprechen und sehr vielen ganz unterschiedlichen Menschen erzählen zu können, was dort draußen ist, ist eine großartige Aufgabe, die mich immer wieder motiviert. Abgesehen davon, dass der Kosmos großartig und auch wunderschön ist, ist mir wichtig, zu zeigen, dass wir und die Erde ein Teil des Universums sind. Das schärft auch den Blick auf unseren Planeten, der unsere einzige Heimat im All ist, und den wir schon allein deshalb schützen müssen. Die Kurse von Tom Fliege ergänzen das wunderbar, denn bei ihm können Jugendliche, aber auch Erwachsene in einer kleinen Gruppe ganz praktische Erfahrung etwa mit einem Teleskop sammeln. Der nächste Kurs für Jugendliche in den Osterferien ist erfreulicherweise schon ausgebucht – das Interesse ist also groß.

Frau Prof. Dr. Hüttemeister, Sie leiten das Planetarium seit vielen Jahren und sind noch immer engagiert und kreativ. Was dürfen wir 2024 von Ihrem Haus erwarten? Gibt es vielleicht ein Herzensprojekt, das Sie schon immer umsetzen wollten?
Wir sind in diesem Jahr in einer doppelten Jubiläumszeit: Einmal feiern wir den 100. Geburtstag des Planetariumprojektors selbst. Und dann wird unser Bochumer Planetarium am 6. November 60 Jahre alt. Zum hundertsten Planetariums-Jubiläum produziert unser Bochumer Produktionsleiter Tobias Wiethoff die neue Show „Unsere himmlische Geschichte“, die voraussichtlich ab Ende Mai im Programm ist. Tobias Wiethoff ist einer der besten Kenner der Planetariumsgeschichte, die viel mehr als nur eine technische Erfindung umfasst – und das wird in diesem Programm wunderbar sichtbar. Bis zu unserem eigenen Geburtstag im November ist zwar noch ein bisschen Zeit, aber auch darauf bereiten wir uns natürlich schon vor. Aus Anlass des Geburtstags ist eine Show geplant, in der der Sternenhimmel eine große Rolle spielen soll. Denn das ist mir durchaus eine Herzensangelegenheit: Mit dem Blick zum Sternenhimmel fängt die Erkundung des Universums für jede und jeden an. Im durch sehr viel künstliches Licht auch in der Nacht aufgehellten Ruhrgebiet geht das besonders gut im Planetarium, wo auch Wolken und Regen nicht stören. Wir haben also auch weiterhin jede Menge vor!

Vielen Dank für das Interview.

Sehr gerne!

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