PETRA LANDERS BOCHUMER IKONE DES FRAUENFUSSBALLS
Foto: Petra Landers

Text: Oliver Bartkowski

Fotos: Petra Landers

PETRA LANDERS BOCHUMER IKONE DES FRAUENFUSSBALLS

Petra Landers ist waschechte Bochumerin, und ohne ihr Engagement wäre der Frauenfußball nicht das, was er heute ist. Sie ist vor allem in schwierigen und durch Armut gezeichneten Ländern aktiv, um den Frauenfußball zu fördern und das Spiel denen zu ermöglichen, die ohne ihre Unterstützung kaum dazu kämen. Wir sprachen darüber und auch über ihre eigene Karriere, die sie vom FC Bochum bis zum Gewinn der Europameisterschaft mit der deutschen Nationalmannschaft führte.

Frau Landers, Sie sind echte Bochumerin, ihre Fußballkarriere begann 1973 im Jungenteam des FC Bochum. Wie wurden Sie denn damals von den Jungs aufgenommen?
Meine Fußballkarriere begann 1971 auf der Blunawiese in Bochum-Harpen mit meinem Cousin Bubi und seinen Freunden, und niemand hatte was dagegen. Ich war auch immer mit den Nachbarjungs und in der Grundschule unterwegs, Straßenfußball halt. Natürlich nur mit Jungs, damals fast keine Mädchen in meiner Umgebung Fußball spielten. 1973 hat mich mein anderer Cousin Jürgen zum FC Bochum vermittelt, wo ein Arbeitskollege Trainer war. Auch dort wurde ich akzeptiert und nie ausgegrenzt.

Sie wechselten dann zur SSG Bergisch Gladbach, damals der Frauenfußballverein schlechthin. Mit der SSG gewannen Sie dann 1981 die inoffizielle Weltmeisterschaft in Taiwan. War man in Asien dem Frauenfußball damals aufgeschlossener als bei uns?
1975, ich war 13, wurde es Zeit, mir einen Verein zu suchen, in dem Frauen spielten. Ich ging zu TuS Harpen, wo man mir eine Sondererlaubnis besorgen musste, da Damenfußball erst mit 14 erlaubt war. Da erlebte ich leider auch die negative Seite, die ich von den Jungs nicht kanne. Stimmen wie, Frauen sollten es besser sein lassen, könnten eh kein Fußball spielen. Oder es wurde „Trikotwechsel“ gefordert, diskriminierend und respektlos. Aber das hat mich nicht abgehalten. 1981 gründete ich mit Christa Lange eine Mädchenmannschaft beim TuS Harpen, um Jüngeren eine Möglichkeit zu spielen zu geben. Im gleichen Jahr wurde ich angesprochen, ich gehöre in eine ganz andere Liga, und so kam der Kontakt zu Bergisch Gladbach zustande, damals die beste Frauenmannschaft Deutschlands. Anne Trabant-Harbach, die Trainerin, befürwortete den Wechsel. Gesagt getan. Im Oktober 1981 flog ich schon nach Taiwan zum Weltcupturnier. Die Anfrage galt eigentlich der deutschen Frauennationalmannshaft, die es aber gar nicht gab. Der DFB reichte die Anfrage weiter nach Bergisch Gladbach, und mit Sponsorenhilfe gelang die Teilnahme. Mein allererster Flug! (lacht) Die Klimaumstellung, das Essen, die Gerüche – all das war für mich eine große Herausforderung. Aber die Anerkennung und das Interesse am Frauenfußball waren in diesem Land sehr groß. Jedes Spiel war live im TV zu sehen, Stadien waren voll, ein wirklich tolles Erlebnis. In elf Tagen neun Spiele, dazu Trainings. Von der Landesliga zur Weltmeisterschaft innerhalb von drei, vier Monaten. Dann kamen wir mit dem Pott nach Hause, und der DFB hat es einfach ignoriert. Aber 1982 gab es zwei Sichtungslehrgänge für den DFB, denn der DFB wollte jetzt eine Frauennationalmannschaft gründen. Meine Trainerin meldete mich für die Libero-Position, und am 10.11.1982 gehörte ich der Startelf beim ersten offiziellen Frauenfußball- Länderspiel an und durfte für Deutschland spielen. Dann kam Mitte der Achtziger aber Verletzungspech zu einer Zeit, als die Sportmedizin uns Frauen noch nicht sehr geholfen hat. Mitte 1987 fing ich wieder an in Bergisch Gladbach, und stand 1988 erneut in der Nationalmannschaft.

1989 kamen wir erstmalig in die Endrunde der Europameisterschaft, die in Deutschland ausgetragen wurde. 1989 wurden Sie dann Europameisterin im eigenen Land und spielten das Halbfinale gegen Italien mit einem Kreuzbandriss. Erzählen Sie mal, wie Sie sich da durchgekämpft haben.
Zwei Hürden hatte ich zu nehmen: die Freigabe vom Arbeitsplatz und ein Kreuzbandriss, den ich mir anderthalb Monate vorher im Pokalspiel in Berlin zugezogen hatte. Die Fahrt nach Hause war die Hölle für mich, und da ich im zweiten Obergeschoss wohnte, kam ich am Ende gar nicht in meine Wohnung und habe in der Firma übernachtet. Am Morgen rief ich den DFB an und traf den Mannschaftsarzt. Ihn konnte ich überreden, nicht zu operieren, sondern das Knie nur zu tapen. Damit war dann alles halb so schlimm, und ich hab es mit dem Knie tatsächlich bis ins Halbfinale gegen Italien geschafft. Eigentlich auch bis ins Finale, aber … Überhaupt noch dabei sein zu dürfen war ja schon ein kleines Wunder. Zum ersten Mal haben wir den Titel geholt, im Finale gegen Norwegen. Europameister!

Sie sind seit Jahren unfassbar stark in der Entwicklungshilfe engagiert. Mit den Organisationen „Street Football World“ oder „Discover Football“ ermöglichen Sie Mädchen in Uganda oder Ghana Workshops, um Fußball zu lernen und zu verstehen. Seit wann machen Sie das?
Durch Discover Football bekam ich eine Sicht auf Frauenfußball in benachteiligten Ländern. Länder, wo Frauen oder Mädchen einen ganz anderen Stellenwert haben, ohne Rechte, ohne Rücksicht auf ein eigenes, unabhängiges Leben. Ich fühlte mich von Beginn an verantwortlich, etwas weiterzugeben, von dem, was ich errungen habe. Seitdem ich erstmalig 2014 in Sambia war und Mädchenmannschaften trainierte, habe ich für mich ein Ziel gefunden: Afrika und den Mädchenfußball. Es waren so herzliche Erfahrungen, die ich dort machen durfte! Es erinnerte mich daran, wie ich großgeworden bin: Einer hilft dem andern, man gehört zu einer großen Familie, ist willkommen; viele Dinge, die wir hier zu Hause teilweise vergessen haben. Auch als ich in einem Armenviertel unterkam, musste ich sofort an meine Jugend denken, vieles, außer der Armut, war identisch: die Freunde, der Fußball, mit anderen zu teilen, selbst wenn man nicht viel hat, das Leben draußen. Da kam niemand mit dem Hintergedanken an eventuelle finanzielle Unterstützung zu mir. Dazu kommt: Beim Fußball steht die Frau oder das Mädchen einmal nicht hintenan. Es ist noch ein weiter Weg zu Gleichberechtigung und Anerkennung, aber das sind erste Schritte. Ich habe Trainings organisiert und unterstützt und das führte sogar zu einem Weltrekord für das höchste Fußballspiel der Welt; 5720 m über Null auf dem Kilimanjaro mit 32 internationalen Frauen 2017. Dazu gab es weitere Projekte in Sambia und Uganda, bei denen auch ich eine Menge gelernt habe.

Wie schwer ist es, Sponsoren für diese Projekte zu finden?
Vor zwei Jahren entschied ich mich für ein Projekt ganz nach meinen Vorstellungen: Spaß haben und mit dem Fußball viele Mädchen zerreichen. Dazu braucht man einen gemeinnützigen Verein, um Spenden zu erhalten. Es hat dann bis zum April 2023 gedauert, doch dann konnte ich mit weiteren sechs Frauen diesen Verein gründen: Faces of Football e. V. Wir beginnen im Norden Ghanas und wollen Mädchen in abgelegenen Dörfern Möglichkeiten bieten, überhaupt erst einmal Fußball spielen zu dürfen. Das ist weder einfach noch selbstverständlich und bedarf vieler Gespräche mit den dortigen Verantwortlichen. Wir organisieren Fußballcamps, die da stattfinden, wo die Kinder auch wohnen und leben: etwa zwanzig Mädchen zwischen zwölf und sechzehn Jahren pro Camp, in den Ferien und an Wochenenden, um viele Mädchen zu erreichen. In diesen Camps geht es auch darum, zuerst einmal Mädchen zu motivieren, Fußball zu spielen, als Team zusammenzufinden und zusammenzuhalten. Das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein zu stärken und dem Mädchenfußball in den Dörfern eine Zukunft geben. Natürlich auch Trainerinnen oder Mannschaftsbetreuerinnen zu finden, die die Arbeit weiterführen. Ziel soll auch sein, während eines Camps über Ausbildungsmöglichkeiten nach der Schule zu reden oder sie anzubieten. Im ersten Camp war es der Workshop „Recycling“, wo die Mädchen Plastik aufbereitet haben, um es auf dem Webstuhl weiter verarbeiten zu können und Taschen, Rucksäcke oder sonstiges daraus herzustellen. Alle Camps werden mit einer NGO vor Ort zusammen durchgeführt. Es war eine tolle Erfahrung für die Mädchen, das erste Mal mit Riesenfreude gegen den Ball zu treten und im Anschluss an diesem Workshop teilzunehmen. Für diese Camps brauchen wir Unterstützung, sowohl im finanziellen Bereich als auch materielle Unterstützung: Sportkleidung, wie z. B. Trikots, T-Shirts, Hosen, Stutzen und Trainings- oder Sportschuhe. Wir brauchen Geld für die Verpflegung während des Camps. Um die Dörfer erreichen zu können, brauchen wir ein Fahrzeug. Wir würden uns sehr freuen, Menschen hier in Bochum zu finden, die mit „Faces of Football“ diese Möglichkeiten schaffen, um durch den Sport andere Strukturen zu schaffen und Leben zu verbessern. Unser Ziel ist, Mädchen durch Fußball zu stärken und zu motivieren, um in der Zukunft als Frau im eigenen Land unabhängig mit eigenem Einkommen leben zu können. Wer weiß, was die ein oder andere über den Fußball noch erreicht? Ich weiß, wie wichtig es ist, Möglichkeiten zu bekommen, um die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen. Möglichkeiten können Leben verändern! Herzlichen Dank im Voraus!

Unser Konto ist bei der Volksbank Bochum Witten eG
Faces of Football
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